Geschichtlicher Hintergrund des Karussellbaus

Das Wort „Karussell“ hatte vermutlich seinen Ursprung im 12. Jahrhundert im arabischen Raum. Das byzaninische Wort „carosellos“ bedeutete soviel wie „Reiter-Werk“ oder „Kleine Kriege“. Nach Europa kam die Tradition durch Spanische und Italienische Eroberer. Im Mittelalter unterhielten Ritter die Edlen mit diesen Spielen. Unter Anderem auch mit dem Auffangen eines Ringes mit einer Lanze oder einem Schwert vom galoppierenden Pferd aus.

18. JahrhundertDie populären Spiele wurden dann vor allem in Frankreich fortgeführt, wo im 16. Jahrhundert der Begriff „carrousel“ verwendet wurde. Während des 17. und 18. Jahrhunderts trainierten junge Noble für Turniere. Sie sassen auf einfachen Holzpferden, die an einem Drehgestell aufgehängt waren und mussten mit Lanzen einen Messingring fangen. Das Gerät wurde von Bediensteten gedreht. Dies gilt als Vorläufer der heutigen Karusselle.

Karussell von Pferd gezogenAb 1870 wurden unzählige Karusselle in Morbitz und später in Neustadt an der Orla, in Deutschland gebaut. Sie wurden später auch in die ganze Welt exportiert. Die ersten Exemplare wurden von Männern und von Hand gedreht. Dies war auch bei der Rössliriiti der Fall. Es gab aber auch Karusselle, die mit Hilfe eines lebenden Pferdes betrieben wurden. Das Tier wurde angeschirrt und lief dann den ganzen Tag im Inneren des Karussell‘s, um den Mast herum. Später wurden Dampfmaschinen eingesetzt, um die Karusselle zu betreiben. Doch diese waren sehr anfällig für Störungen. Elektrische Systeme haben dann die nötige Stabilität in den Betrieb gebracht. Einige wenige dieser Karusselle existieren heute noch. Bis vor etwa 20 Jahren gab es noch immer die Tradition des Messingring-Fangens. Auf Armlänge neben dem Karussell, wurde ein Pfosten aufgestellt, an dem die Ringe hingen. Wer während der Fahrt den Messingring fangen konnte, bekam eine Gratisfahrt. Mit Einführung der TÜV-Vorschriften, wurden die Ringe und die Vorrichtungen im Interesse der Sicherheit entfernt.

Die beiden Weltkriege führten zum Ende des historischen Karussellbau‘s in Europa. Die Firmen wurden durch Bomben zerstört und fast alle Angestellten starben als Soldaten im Krieg. Kinder und Enkelkinder der alten Schnitzer sind aber schon in den 20er-Jahren nach Amerika ausgewandert. Dort haben sie südlich von New York eigene Firmen gegründet und die Tradition des Karussellbau‘s fortgeführt. Bis 1970 wurden nach alter Herstellungsweise Karusselle gebaut.

Die Erbauer der Rössliriiti

Das Karussell Rössliriiti wurde gebaut in der Manufaktur von Friedrich Heyn. Es war eine Zusammenarbeit von Friedrich Heyn und Hermann Thümmel. So ist auch die Besatzung von beiden Schnitzern hergestellt worden. Der Löwe, der Elefant, die Kutsche und das Schiff wurden von Friedrich Heyn gemacht, die 16 Pferde hat Hermann Thümmel geschnitzt.

Friedrich Heyn

Friedrich Heyn hat erst alleine gearbeitet und einzelne Holzpferde für private Kunden geschnitzt. 1870 hat er seine eigene Firma für Karussellpferde und Kunstgegenstände gegründet in Molbitz, Deutschland. Das Geschäft floriert und so wird Heyn schnell berühmt über die Grenzen hinaus. Er exportiert bald Karusselle nach ganz Europa. Er geht eine Partnerschaft mit Karl Müller ein. Später hat er dann auch Karusselle nach Amerika und Australien geliefert. Er entscheidet 1884, die Firma an Karl Müller zu übergeben und gründet selber einen neuen Betrieb in Neustadt an der Orla. Dort hat er grössere Räume und eine bessere Infrastruktur zur Verfügung. Neustadt an der Orla wird schnell zum Zentrum der Karussell-Industrie. Die Manufaktur bietet komplette Karusselle in allen Grössen und Arten an. Dazu gehören auch Schiffsschaukeln, Kettenflieger- und Hängeboden-Karusselle, die in der Regel dampfbetrieben waren. Heyn hat sich aber auch spezialisiert auf die Herstellung von wunderschönen Decken-, Wand- und Umrandungs-Malereien, bestickte Vorhänge und Dekorationsfiguren. Zusätzlich zu einer sehr grossen Auswahl von verschiedenen Tieren wie Pferden, Zebra’s, Schweinen, Löwen, Tiger, Bären, Eseln, Gemsen, Ziegen, Giraffen, Elefanten, Hühner und Hähne, Schwänen, Hasen, Schafen, Hunden, Katzen, etc, hat Heyn auch diverse Fahrzeuge hergestellt: Kutschen, Gondeln, Triller, Globusse, Streitwagen, Schlitten, Rodelschlitten, Schiffe und Auto’s. Heyn hat auch 2 verschiedene Schaukelgestelle für die Pferde erfunden, auf denen sie dann auf Hängeboden-Karussellen montiert wurden.

Gegen Ende seiner Karriere hat Heyn seinen Betrieb an seinen Partner Richard Keime übergeben. Anschliessend hat Arno Ebert die Firma weitergeführt bis 1959. Somit war die Manufaktur von Friedrich Heyn der einzige Betrieb, der den 2. Weltkrieg überlebt hat und während 89 Jahren die wunderschönen Kunstwerke produzieren konnte.

Hermann Thümmel und Karl Müller

Karl Müller war der ehemalige Geschäftspartner von Friedrich Heyn. Als außergewöhnlich begabter Schnitzer, übernahm er 1884 die gemeinsame Werkstatt in Molbitz, Deutschland, während Heyn nach Neustadt an der Orla übersiedelte und dort seine Firma weiter führte.
Müller fand ein paar Jahre später einen neuen Partner in der Person von Hermann Thümmel. Ihre Zusammenarbeit führte zum Entstehen von unzähligen Karussell-Figuren. Darunter waren auch exotische Tiere wie Strausse, Zebra’s, Giraffen, Löwen, Tiger, Bären, Schafe, Ziegen, Antilopen etc. Aber alle Tiere entstanden in ihrem unverkennbaren Stil, nach der klassischen Schule der traditionellen deutschen Schnitzer. Viele von Müller’s Tieren wurden bemalt und verziert von seiner Tochter, Frau Paatz, die als Angestellte im Malatelier tätig war.
Die Pferde von Müller können nicht verglichen werden mit denen von Heyn. Sie sind alle ausgesprochen kraftvoll und stattlich und haben eher langgestreckte Körper. Meistens besitzen sie ausgesprochen liebliche Gesichtsausdrücke. Auch die Pferde von Hermann Thümmel haben liebliche Gesichtsausdrücke, sind wohl proportioniert, doch wesentlich feingliedriger als die Pferde von Karl Müller. Im Gegensatz zu Heyn’s Pferden, haben die Figuren von Müller und Thümmel oft auch in die Höhe gestreckte Köpfe.
Die Firma von Karl Müller war sehr erfolgreich bis zu den 20-er Jahren. Neben der Firma von Friedrich Heyn, war Müller sicher einer der grössten Hersteller von Karusselltieren. Kurz vor der Wirtschaftskrise, im Jahr 1926, wurde die Firma, nach dem Tod von Karl Müller, aufgelöst.
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